Wer Gery Oth begegnet, lernt einen ruhigen, nachdenklichen Menschen kennen. Sein Gesicht ist mit vielen Falten und Furchen gekerbt, ein interessantes Gesicht, weil vom Leben gezeichnet. Seine Fotografie strahlt Authentizität aus. So benannte er seine erste große Ausstellung (2007) „Couleurs du Silence“.
Mit minimaler Farbdarstellung versucht der Naturfreund Stimmungen wieder zu geben, die er in der Landschaft erlebt. Ruhige Fotos zeigt er, die offene Interpretationen zu lassen. Stein-und Geröll-Landschaften, Bäume, Blumen, Farne und Moose, Parkbänke. Manchmal koloriert er mit dem Pinsel feine Details seiner Fotos. So als wolle er den Blick auf die unsichtbare Bewegung in der Natur lenken.
Dort wo der Mensch Gery Oth „sprachlos“ ist, lässt er die Fotografie sprechen, versucht über die erlebte Stimmung mit dem Betrachter zu kommunizieren. Fotografieren deutet er als eine Art Obsession, die ihm hilft sich an der Wirklichkeit „festzuklammern“, den Überblick, den Zusammenhang oder Zusammenhalt zu wahren. Fotografie als eine Art Therapie das Leben zu meistern, ihm, dem Leben, Sinn zu geben trotz manchmal sinnlos erscheinender Lebenserfahrungen.
Gery Oth hat bereits als Kind mit fotografieren begonnen. Nach dem frühen Tod der Mutter und etlichen weiteren Schicksalsschlägen klammert er sich an die Kamera, die ihm geschenkt wird von einem väterlichen Freund, einem einfachen Schreiner aus seinem Heimatdorf, und dank dieser Kamera gelingt es ihm das Erlebte zu überstehen, zu überleben. Harmonie sucht der Fotograf in der Natur, er versucht mit dem Bild „ Dinge mit zu teilen, die er in Worten nicht mitteilen kann“.
Seine Vorliebe gilt anfangs der quadratischen Darstellung, da das Hochformat ihm „zu fluchtartig“ erscheint. Gery Oth stellt gerne zusammen mit Menschen aus, die seine Obsession und Leidenschaft teilen. Für den Künstler gibt es zwei magische Momente. Den Augenblick, wo er die erlebte Stimmung in der Natur mit der Kamera festhält, dann den Augenblick der Begegnung mit Menschen, die eine ähnliche Resonanz wie er sie empfunden hat, nachvollziehen können.
Der Künstler arbeitet mit althergebrachter Technik, in der Dunkelkammer. Er entwickelte anfangs seine Fotos selbst, erlernte das Handwerk von der Pieke auf durch Fotografie-Stages, vier Semester Fotografie in der Handwerkerschule in Luxemburg, Abendkurse bei Marcel Tockert, Kurse in Edeldruckverfahren mit Guillaume Geneste und Marika Schneiders im Centre National Audiovisuel sowie Weiterbildung in Masterkursen in Deutschland (W. Moersch): Fineart, Tonungen.
Die Fotos, die Gery Oth 2009 in seiner Ausstellung in der kleinen Kapelle in Roodt-Syr zeigte, wirken moderner und neuartiger als seine ersten Werke, die bereits großes Talent vermuten ließen. Die neuen Fotos sind abstrakter und ähneln modernem Design. Sie sind grösser geworden, jedoch fluchtartiger, bewegter. Das Sujet der Darstellung – größtenteils Bäume und Landschaft. Teils wirkt die Landschaft bedrohlich und verfremdet, teils wirkt sie poetisch und friedlich.
Es fällt mir schwer, Gery Oths Fotografie einzuordnen, da Gery Oth ein suchender Künstler ist. Er spricht nicht viel von Vorbildern, macht keine großen Worte über das Dargestellte. Als Mensch wirkt der Fotograf wie ein Perfektionist, jemand, der Nichts dem Zufall überlässt. Grün-Töne sind häufig in seinen Werken zu finden, aber auch schwarze Schatten, abgründige Tiefe in der Landschaft, die an Seelenlandschaften erinnert.
Gery Oths neueste Fotografie ist minimalistisch und passt in moderne, puristisch eingerichtete Wohnräume oder Orte, wo Menschen sich begegnen: Schulen, Banken, Krankenhäuser… Auch Gelb- und Brauntöne bevölkern seine Fotografien-Landschaften. Die Farbe Rot taucht im Zusammenhang mit Blumen auf – manchmal auch das Silber-Weiß einer Vollmondnacht, immer im Zusammenhang mit Waldlandschaft. Rätselhafte Stillleben, trotz aller Stille in Bewegung.
Heute lässt Gery Oth seine Fotos im Ausland in Fach-Labors entwickeln und drucken, die Rahmen zu seinen Kunstwerken sind ebenfalls minimalistisch. Der Fotograf ist viel gereist, in Kanada oder auch in Afrika und Asien, manchmal im Auftrag der luxemburgischen Regierung, manchmal individuell als normaler Tourist. Porträts von Menschen sind selten in seinem Werk. Manchmal wirft er ungewöhnliche Blicke auf Menschen, zeigt bloß ihr Schuhwerk unter einem Tisch, subtile Kleiderdetails, die Aufschluss über die Persönlichkeit oder die Lebenssituation eines Menschen geben.
Auch Kunstwerke anderer Künstler lichtet der Fotograf gerne ab. Auftragsarbeiten zum Beispiel über Schmuck – Ringe-Ketten-Armbänder, die in einen ungewöhnlichen Kontext gebracht werden.
Wir wünschen Gery Oth viel Glück auf seiner Suche nach einer „entschleunigten Fotografie“, die unsere Zeit so dringend braucht. Wir werden alltäglich mit überladenen Bildern überflutet durch Filme, Fernsehen und Zeitungen, – Bildern, wo Menschen zur austauschbaren Ware geworden sind. Für den Fotografen Gery Oth tickt jedoch die Zeit, – die reale biologische aber auch zeitgeschichtliche Uhr, tickt unbarmherzig, – während in der Natur draußen, die Zeit endlos und ewig erscheint.
Pia Burggraff, Silvershotz folios (2010)